Aus dem Loft vom Sofitel Vienna Stephansdom erkennt Fundraising-Experte Andreas Schiemenz einige Projekte für Philanthrop:innen. Aber sind es auch die richtigen?
henri: Herr Schiemenz, Sie haben einmal gesagt, dass es für wirklich reiche Menschen keine Möglichkeiten gibt, sozial zu investieren. Können Sie uns das erklären?
Andreas Schiemenz: Wenn sich Menschen engagieren wollen, wollen sie das mit einem Betrag tun, der ihnen wichtig, also hoch genug ist. Dieser Betrag hängt natürlich vom Vermögen ab. Wenn sich unsereins bei 500 Euro denkt, dass das viel ist, beginnt das bei anderen bei 500.000 Euro. Oder bei 5 oder 50 Millionen Euro. Je mehr Vermögen Sie haben, desto schwieriger ist es tatsächlich, Projekte zu finden.
Das ist genau der Punkt, den wir nicht verstehen.
Wenn Sie fünf Millionen Euro spenden und eine Organisation in Österreich finden wollen, die eine so große Summe in angemessener Zeit verarbeiten kann, werden sie nicht viele finden. Das sind am Ende nur große Organisationen wie das Rote Kreuz. Sonst müssten Sie Ihre Spende in 100.000-Euro-Projekte einteilen. Sie selbst kommen aber aus einer Welt, in der Sie Ihr Geld in Größen von hunderttausenden oder Millionen Euro investieren. So ticken Sie und so bezahlen Sie auch Ihr Engagement. Am Ende bleibt dann ein neues Dach für den Stephansdom, ein Anbau an ein Krankenhaus oder eine Universität. Da werden schnell auf einen Schlag fünf bis zehn Millionen Euro aufgerufen. Eigentlich wollten Sie aber etwas für Menschen tun.
Es fehlt den wohltätigen Organisationen an Größe und Struktur, um solche Summen verarbeiten zu können?
Genau. Das ist die eine Hälfte des Problems. Die meisten Organisationen sind nicht in der Lage, eine Projektgröße aufzurufen, die der Erwartung dieser Geldgeber entspricht.
Und die andere Hälfte?
Die andere Hälfte ist, dass die meisten Organisationen nicht den Mut haben, diese Personen anzusprechen.
Wollen diese Menschen auch deshalb eine große Summe spenden, weil sie sich davon einen sichtbaren Effekt erwarten, der dann auch mit ihnen persönlich zu tun hat?
Das ist eine spannende Frage. Wünschen sich die Geber etwas, das mit ihnen zu tun hat und ihr Image aufpoliert? Ich denke, nein. Ich erlebe, dass die meisten Hochvermögenden sehr zurückhaltend sind.
Aber die Frage nach der Wirkung spielt doch eine Rolle, wenn jemand so viel Geld investiert.
Diese Frage stellt sich jeder Spender, egal mit welchem Betrag. Schwierig ist, dass ein Hochvermögender und sein Finanzteam sich auf einmal um so kleine Summen kümmern müssen. Gerade die Hochvermögenden regeln ihre Finanzen über Spezialisten. Dieses Erleben aus dem beruflichen Alltag überträgt sich dann.
Gibt es nicht auch den praktischen Zugang? Ich möchte viel Geld geben und dafür eine deutliche Veränderung sehen, die ich bewirkt habe.
Es gibt auch solche Menschen. Es gibt Geber, die wir soziale Investoren nennen. Die schauen sich sehr genau an, wo man den höchsten Wirkungsgrad erreichen kann. Wir haben in Europa eine Diskussion zum Thema Impact. Wir merken aber im Alltag, dass die Impactfrage nicht die Kernfrage ist. Die Kernfrage stellt sich eher auf der emotionalen Ebene. Dankbarkeit, dass es einem gut geht. Nächstenliebe. Mitleid. Aber auch gesellschaftliche Verantwortung.
Sie haben einmal gesagt, dass die Voraussetzung für philanthropisches Handeln eine bestimmte Entwicklungsstufe ist.
Der Sinn des Lebens ist Philanthropie. Philanthropie bedeutet, dass ich etwas Gutes tue. Es bedeutet, dass ich glücklich und ein Teil der Gesellschaft bin.
Das gesamte, immer noch sehr aufschlussreiche Interview können Sie im henri Magazin Nr.21 zum Thema Philanthropie nachlesen.
Interview: Thomas Aistleitner | Foto: Isabelle Grubert
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